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Geld ist nicht das Wichtigste im Leben.

Geld ist Mittel zum Zweck. Wäre es mir ums Geld gegangen, ich würde keine Kunst machen. Auf der Website der Künstlersozialkasse steht, dass 2015 das durchschnittliche Jahreseinkommen von bildenden Künsterinnen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren 12.491€ betrug.

12.491€. Das sind 1040€ im Monat. Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60% des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Aktuell liegt diese Grenze bei 979€ im Monat. Im Durchschnitt trennen eine Künstlerin in meinem Alter also 61€ monatlich von der Armut.

Geld ist nicht das Wichtigste im Leben.

Und offensichtlich erfüllt Kunst diesen Zweck auch nicht.
Was will ich denn erreichen? Ich habe mehr, als ich zum Leben brauche. Reicht das nicht?
Kinder wären eine Bereicherung. Die ich mir nicht leisten kann. Ich müsste doppelt so viel verdienen und halb so viel arbeiten. Geht das überhaupt? Teilzeitkünstlerin? Oder höre ich da schon, wie die Tür zum Hobbykeller sich hinter mir schließt? Mir fehlen die Rollenbilder. Wo sind die erfolgreichen Künstlerinnen mit Kindern?

Tracey Emin erklärte letztes Jahr in einem Interview, „There are good artists that have children. Of course there are. They are called men.“ Sie selbst hat keine Kinder. Sagt, sie hätte entweder 100% Mutter sein können oder 100% Künstlerin. Sie wollte keine Kompromisse eingehen. Aber wer wollte denn eine kompromisslose Mutter?

Warum muss es immer Entweder – Oder heißen? Gibt es kein “Und”? Und woher kommt der Anspruch immer perfekt sein zu wollen Warum muss eine Mutter eine gute Mutter sein? Reicht es nicht, einfach Mutter zu sein?

Ich höre keine innere Uhr ticken.

Selbst wenn sie ticken würde, sie wäre übertönt von den ständigen Frage, die von aussen kommen. Während ich den Ratschlägen und Fragen ausweiche, komme ich nicht dazu sie zu beantworten.

Will ich Kinder? Um jeden Preis?

Alleinerziehende sind die Bevölkerungsgruppe mit dem größten Armutsrisisko. 90% der Alleinerziehenden sind Frauen. Ich will mir keinen Ernährer suchen müssen.

Werden Kinder von Liebe satt?

Männer, die in Elternzeit gehen, ernten Anerkennung.
– Toll, dass er sich zwei Monate Auszeit nimmt!
– Großartig, dass seine Firma ermöglicht, dass auch er Zeit mit seinen Kindern verbringt!

Frauen werden gefragt, wie sie Kinder und Karriere vereinbaren.
– Wieso hat die überhaupt Kinder bekommen, wenn sie gleich wieder arbeiten geht?
– Sie kann es sich ja leisten zu Hause zu bleiben. Bei dem Gehalt, das er verdient!
– Von ihrem Lohn kann sie ja lediglich die Kitagebühren bezahlen, wieso bleibt sie dann nicht gleich zu Hause?

Wieso glaubt eigentlich jeder zu wissen, was Mütter zu tun haben?
Frauen sollen unabhängig sein. Sich jenseits von Haushalt und Kindern selbst verwirklichen. Sie sollen möglichst einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die schlecht bezahlt wird. Hausarbeit wird gar nicht bezahlt. Und muss auch gemacht werden. Die Kleinfamilie ist eine Erfindung der Industrialisierung. Aber selbst die zerfällt in ihre Einzelteile. Braucht man nicht ein ganzes Dorf um ein Kind großzuziehen?

Geld ist nicht das Wichtigste im Leben.

Aber ist der Sinn des Lebens in der Schaffung neuen Lebens zu finden? Wenn es so schwierig ist, die Doppelrolle auszufüllen, ist es dann verantwortungslos, als Künstlerin Kinder zu bekommen? Oder ist es feige, es nicht zu tun? Muss ich irgendjemandem beweisen, dass ich all das gleichzeitig hinbekommen kann, dass meine schöpferische Kraft unerschöpflich ist?
Wie soll ich eine Entscheidung treffen, deren Tragweite ich nicht einschätzen kann? Und wieso werde ich gewarnt, dass ich es bereuen könnte, wenn ich all diese Fragen nicht jetzt beantworte? Mascha Kaleko sagt, was der Künstlerin fehlt ist des Künstlers Frau.
Vielleicht ist das die Antwort.
Ich werde Vater.

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